»Ich könnte mir in allen großen Zeitungen des Landes
folgende Mitteilung vorstellen:
Wichtige Mitteilung an alle Bürgerinnen und Bürger:
Die Welt ist hier und jetzt!«
– Jostein Gaarder
26 Prozesse und IPC
In diesem Kapitel geht es um Prozesse sowie um deren Kommunikation (engl. Inter Process Communication, IPC) aus der Sicht des Userspaces und damit des Benutzers. An dieser Stelle sollten Sie bereits einiges über Prozesse an sich wissen. Die wichtigsten Fakten sind hier noch einmal zusammengefasst:
- Prozesse sind Programme in Ausführung
Damit das Betriebssystem eine Programmdatei überhaupt ausführen kann, muss ein entsprechender Prozess erstellt werden. Ein Prozess ist dabei nur als eine Datenstruktur im Kernel – der Prozesskontrollblock – präsent. - Eigenschaften eines Prozesses
In diesem Kontrollblock finden sich alle wichtigen Daten, darunter die einen Prozess identifizierende PID, die UID des ausführenden Benutzers und das Arbeitsverzeichnis. - Speicher
Jeder Prozess hat seinen eigenen Adressraum. Alle (virtuellen) Adressen, die das Programm während seiner Ausführung nutzt, müssen von der MMU (Memory Management Unit) [Fn. Siehe Kapitel 5, »Der Kernel«.] in physische, also real im Hauptspeicher vorhandene Adressen übersetzt werden. Das Betriebssystem hat die Möglichkeit, einzelne Speicherbereiche (sogenannte Pages) ohne Wissen des Prozesses auf die Festplatte auszulagern.
Mit diesen Grundlagen kann man sich nun auch schon den Erklärungen im Userspace widmen. Dort ist es im Großen und Ganzen irrelevant, wie genau das Multitasking realisiert oder ein Prozess intern behandelt wird. Statt um Interrupts kümmert man sich hier um Signale, statt um das konkrete Scheduling um die sinnvolle Strukturierung paralleler Programme. Diese und andere Aufgabenbereiche wollen wir im Folgenden umfassend erläutern.
26.1 Prozessarten
Hintergrundprozesse haben Sie bereits in den Kapiteln zur Shell und auch kurz im Kernel-Kapitel kennengelernt. Auch von Diensten oder gar Dämonprozessen war in diesem Buch schon häufig die Rede. Im Folgenden sollen die Zusammenhänge erklärt und die Unterschiede noch einmal verdeutlicht werden.
26.1.1 Hintergrundprozesse
Hintergrundprozesse – oder auch Jobs – werden im Hintergrund durch ein in der Kommandozeile an den Befehl angehängtes kaufmännisches »Und« (&) erzeugt. »Im Hintergrund« bedeutet hier, dass die ersten Dateideskriptoren – 0, 1 und 2 – nicht mit der Tastatur und nicht unbedingt mit dem Bildschirm verbunden sind.
Man verwendet Hintergrundprozesse in erster Linie, um durch einen langwierigen Prozess nicht vom weiteren Arbeiten abgehalten zu werden. Charakteristisch für klassische Hintergrundprozesse ist, dass sie weiterhin Kindprozess der Shell bleiben.
Listing 26.1 Schreibweise zum Starten eines Prozesses im Hintergrund
$ Prozess &
[1] 14215
$
...
[1] + done /usr/local/bin/Prozess
$
Die Job-ID
Das Listing zeigt einen Prozess, der im Hintergrund gestartet wird. Nach dem Start wird die Nummer des Hintergrundprozesses – die sogenannte Job-ID – in eckigen Klammern (in diesem Fall [1]), gefolgt von der Prozess-ID (hier 14215), ausgegeben. Nach einiger Zeit hat der Prozess seine Aufgaben abgearbeitet. Dem Benutzer wird dies durch die »done«-Zeile mitgeteilt.
26.1.2 Dämonprozesse
Eine spezielle Art von Prozessen sind die sogenannten Dämonprozesse. Sie arbeiten im Hintergrund und werden vorwiegend für Aufgaben genutzt, die keiner direkten Kontrolle bedürfen. Dabei handelt es sich oft um Serverdienste, wie beispielsweise Webserver oder Mailserver.
Oftmals werden Dämonprozesse mit den Hintergrundprozessen der Shell verwechselt. Wie oben jedoch erläutert wurde, sind Dämonprozesse eigene Sessionführer und unabhängig von einer Shell – und somit auch kein Kind der Shell.
Solche Dämonprozesse werden normalerweise während des Bootens gestartet und erst beim Shutdown des Systems beendet, indem der Kernel ein TERMINATE- oder KILL-Signal an den Prozess sendet. Entsprechend sind Dämonprozesse also in der Regel ein Kind von init.
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