»Analysieren heißt etwas kaputt machen,
unter dem Vorwand, man wolle nachsehen,
wie es arbeitet.«
– Anonym
30 Softwareentwicklung
Nun werden wir uns der Thematik »Softwareentwicklung unter Unix« annehmen, wobei unser Hauptaugenmerk natürlich auf Linux und BSD liegen wird. Die meisten Programme, die wir Ihnen in diesem Kapitel vorstellen, sind allerdings auch unter anderen Unix-ähnlichen Systemen wie zum Beispiel Solaris lauffähig.
Zunächst werden wir Ihnen einen Überblick über die Interpreter und Compiler verschaffen, die zur Verfügung stehen. Danach führen wir Sie sowohl in die Programmiersprache C als auch in die Sprache Perl ein, da diese beiden Sprachen neben der Shellskriptprogrammierung unter Linux, Unix und BSD die wichtigsten Werkzeuge eines Programmierers sind.
Neben den Interpretern und Compilern stellt Linux durch Tools wie Make, diverse Editoren und IDEs, yacc und flex, CVS und Subversion, tonnenweise Libraries, den GNU-Debugger GDB und den GNU-Profiler gprof weitere wichtige Tools zur Softwareentwicklung bereit, bei denen eigentlich kein wichtiger Wunsch unerfüllt bleiben sollte. Natürlich werden wir Ihnen auch diese Tools in diesem Kapitel vorstellen.
30.1 Interpreter und Compiler
Es ist fast gleichgültig, welche Programmiersprache Sie bisher verwendet haben. Unter Linux kann fast jede Sprache, sofern diese nicht gerade systemabhängig ist (etwa Windows-Batch oder Visual Basic), weiterverwendet werden. Das gilt nicht nur für die Sprachen, die sowieso weit verbreitet sind – wie zum Beispiel C, C++, Java, Ruby, Perl, Python, Tcl oder Fortran. Nein, auch Erlang, Lua, CommonLisp, Scheme und andere Exoten können problemlos (und in der Regel sogar frei) angewandt werden.
30.1.1 C und C++
Für die Sprachen C und C++ greift man in aller Regel auf die Open-Source-Compiler-Software des GNU-Projekts zurück. Für die Übersetzung der C-Programme wird dabei der GCC (GNU-C-Compiler) und für C++ der g++ verwendet.
Gegeben seien zwei Dateien, datei1.c und datei2.c. In Ersterer wird eine Funktion implementiert, die aus der zweiten aufgerufen wird. An diesem Beispiel kann man sehr einfach demonstrieren, wie man mit dem GCC linkt. Betrachten wir erst einmal beide Dateien:
Listing 30.1 datei1.c und datei2.c
$ cat datei1.c
#include <stdio.h>
void
out(char *str)
{
printf("%s\n", str);
}
$ cat datei2.c
void out(char *);
int
main(int argc, char *argv[])
{
out("Hello, gcc!");
return 0;
}
Objektdateien
Zunächst erstellen wir Objektdateien der Quelldateien. Dies wird mit der Option -c bewerkstelligt. Daraufhin erstellt der gcc zwei Dateien mit der Endung .o – die besagten Objektdateien.
Listing 30.2 Objektdateien erstellen
$ gcc -c datei1.c
$ gcc -c datei2.c
$ ls *.o
datei1.o datei2.o
Diese beiden Objektdateien werden nun zu einem Programm zusammengelinkt, wobei der Name des Programms mit der Option -o (out) angegeben wird. Lässt man diese Option weg, erstellt gcc eine Binärdatei im ELF-Format mit dem Namen ./a.out.
Listing 30.3 Linken
$ gcc -o prog datei1.o datei2.o
$ ./prog
Hello, gcc!
[»]Diese beiden Vorgänge lassen sich auf der Kommandozeile jedoch auch vereinfachen, indem man erst gar nicht den Befehl zum Erstellen von Objektdateien übergibt, sondern gleich die Binärdatei zusammenlinkt – der Compiler erledigt den Rest dann intern.
Listing 30.4 Der schnelle Weg
$ gcc -o prog datei1.c datei2.c
$ ./prog
Hello, gcc!
Der Übersetzungsvorgang ist mit dem C++-Compiler im Übrigen gleich. Ersetzen Sie einfach einmal in den obigen Listings gcc durch g++. Sie werden feststellen, dass das Resultat das gleiche ist: eine ausführbare Datei.
Verzeichnisse
Oftmals – und bei etwas größeren Projekten eigentlich immer – bedarf es jedoch einer individuellen Anpassung der Compiler-Optionen. Der GNU-Compiler unterstützt davon auch äußerst viele, doch wollen wir an dieser Stelle nur die wichtigsten Optionen besprechen.
Header-Pfade
Zunächst kann durch die Option -I ein Verzeichnis angegeben werden, in dem sich Headerdateien befinden. Der Präprozessor des gcc durchsucht dieses dann nach einer entsprechenden Datei, die bei einer C-#include-Direktive angegeben wird.
Die Include-Pfade können dabei sowohl absolut als auch relativ angegeben werden. Möchten Sie mehrere solcher Include-Pfade mit einbeziehen, so kann dies durch eine Aneinanderreihung von -I-Optionen umgesetzt werden.
Listing 30.5 Die Option -I
$ gcc -o prog -Isrc/include -I../src/include \
-I../lib/src/include datei1.c datei2.c
Library-Pfade
Was für Headerdateien mit der Option -I bewerkstelligt wird, funktioniert für Libraries mit der Option -L. Mit dieser Option können Pfade angegeben werden, in denen nach Library-Dateien gesucht werden soll.
Listing 30.6 Die Option -L
$ gcc -o prog -L/usr/local/lib datei1.c datei2.c
Libraries verwenden
Nachdem Sie nun wissen, wie man Verzeichnisse angeben kann, in denen Library-Dateien liegen, können wir Ihnen natürlich nicht vorenthalten, wie Libraries grundsätzlich eingelinkt werden. Dies funktioniert nämlich mit der Option -l. Dahinter setzt man dann den Namen der gewünschten Library und fertig »is dat janze«.
Um beispielsweise mit der PCAP-Library zu arbeiten, einer Library zum Abfangen von Datenpaketen auf Netzwerkschnittstellen, linken Sie diese durch den folgenden Aufruf ein:
Listing 30.7 pcap nutzen
$ gcc -Wall -o tcptool tcptool.c -lpcap
30.1.2 Perl
Bei Perl (Practical Extraction and Report Language) handelt es sich um eine äußerst mächtige Skriptsprache, mit der man unter Linux, BSD und Unix eigentlich fast alles machen kann – sofern es sich dabei nicht gerade um Kernel-Programmierung handelt. Nebenbei gesagt ist Perl aufgrund der hohen Portabilität auch für andere Betriebssysteme wie zum Beispiel Windows verfügbar. Zudem werden häufig Webseiten mit Perl realisiert.
Neben dem Einsatz in der System- und Netzwerkprogrammierung gibt es auch Möglichkeiten, mit Perl und einigen Libraries GUI-Programme für X11 zu schreiben. Perl ist übrigens auch ein hervorragender Ersatz zur Shellskriptprogrammierung, da auch in dieser Sprache sehr schnell Skripte realisiert werden können. Ob man sich nun letztendlich für Perl oder doch eher für die Shellskriptprogrammierung (am besten mit awk und sed) entscheidet, hängt primär vom persönlichen Geschmack ab. Während Sie in der Shell in der Regel schneller das gewünschte Resultat erzielen, ist der Entwicklungsaufwand in Perl höher. Dafür ist Perl-Code performanter und die Sprache bietet zudem systemnähere Entwicklungsmöglichkeiten. Perl kann als Zwischenebene zwischen der Shellskriptprogrammierung und der C-Programmierung betrachtet werden.
Standardmäßig sollte jede Linux-Distribution und jedes BSD-Derivat einen Perl-Interpreter in der Standardinstallation beinhalten. Ob Perl auf Ihrem System installiert ist, und wenn ja, in welcher Version, bekommen Sie durch einen Aufruf von perl -v heraus.
Listing 30.8 perl -v
$ perl -v
This is perl, v5.8.5 built for i386-openbsd
Copyright 1987-2004, Larry Wall
Perl may be copied only under the terms of either the
Artistic License or the GNU General Public License,
which may be found in the Perl 5 source kit.
Complete documentation for Perl, including FAQ lists,
should be found on this system using `man perl' or
`perldoc perl'. If you have access to the Internet,
point your browser at http://www.perl.com/, the Perl
Home Page.
$ perl -e 'print "Hello, World!\n";'
Hello, World!
perldoc
Neben der Perl-Manpage bietet das Tool perldoc noch weitere Informationen zur Skriptsprache. So finden sich beispielsweise Informationen zur Anwendung diverser Perl-Module in perldoc. Dabei wird der Modulname als Parameter übergeben.
Listing 30.9 Das Tool perldoc
$ perldoc CGI
30.1.3 Java
Java ist wie C++ eine objektorientierte Programmiersprache. Entwickelt wurde die Programmiersprache von Sun Microsystems, die Entwicklung mit Java ist jedoch frei. Der Unterschied zwischen Java und den meisten anderen Sprachen ist der, dass Java nicht wirklich als Skript interpretiert und auch nicht wirklich zu einem Binärprogramm kompiliert wird. Java-Code wird vom Java-Compiler (javac) in eine Bytecode-Datei übersetzt. Eine solche kann dann auf verschiedenen Systemen vom Java-Interpreter interpretiert werden. Diese plattformunabhängige Programmierung ist eines der gepriesenen Features dieser Sprache. Außerdem können mit Java Web- Applets entwickelt werden. Dass Java dabei ziemlich lahm ist und auch sonst einige Einschränkungen hat, erzählt einem jedoch meistens niemand.
Die Tools
Möchten Sie unter Linux mit Java arbeiten, benötigen Sie dazu das Java-Development-Kit (JDK) von Sun Microsystems. Die meisten Distributionen bringen diese Software als Paket mit. Andernfalls können Sie das JDK auch von sun.com herunterladen.
[zB]Wir wollen an dieser Stelle exemplarisch ein kleines Java-Programm übersetzen und ausführen. Zunächst wird eine Java-Datei erstellt, der wir die Endung .java verpassen.
Listing 30.10 hello.java
$ cat << EOF >hello.java
class Hello
{
public static void main(String args[])
{
System.out.println("Hello World!");
}
}
EOF
Anschließend wird diese Datei mit dem Java-Compiler übersetzt, der uns eine Datei mit der Endung .class erzeugt.
Listing 30.11 hello.java wird übersetzt.
$ javac hello.java
Nun kann unser Programm durch java ausgeführt werden.
Listing 30.12 java arbeitet.
$ java hello
Hello World!
30.1.4 Tcl
Bei Tcl (Tool Command Language) handelt es sich um eine sehr schnell erlernbare Skriptsprache. Aufgrund der hohen Portabilität ist Tcl (wie Perl) auch auf Windows-Systemen verfügbar.
Mit der Tk-Library lassen sich mit Tcl besonders schnell und einfach grafische Oberflächen für Skripts realisieren. Tk kann auch in Verbindung mit Perl und C verwendet werden, wobei wir Ihnen basierend auf unserer persönlichen Erfahrung von der Kombination Tk und C abraten. [Fn. C in Verbindung mit der Tk-Library ist eine Zumutung. Wir stellen Ihnen später besser zu handhabende Libraries (Qt und GTK+) vor, die auf die Programmiersprachen C++ und C zugeschnitten sind.]
In der Regel gehört der Tcl-Interpreter nicht zum Umfang einer Basisinstallation, wird jedoch als Package und/oder in den Ports fast jeder Distribution bzw. fast jedes Derivats angeboten.
Der Interpreter nennt sich tclsh oder tcl-Versionsnummer. Sollte auf Ihrem System etwa Version 8.4 des Tcl-Interpreters installiert sein, hieße der Interpreter tclsh8.4.
Die Syntax von Tcl kann als Mix aus Bourne-Shell und awk angesehen werden; hier sehen Sie ein kleines Beispiel für die Implementierung und Anwendung einer Funktion, die das Quadrat einer Zahl zurückgibt.
Listing 30.13 tcl anwenden
$ tclsh8.4
% proc quad { x \ {
return [expr $x*$x]
}}
% quad 7
49
% quad 12
144
% exit
wish
Möchte man nun grafische Oberflächen für seine Skripte erstellen, so funktioniert dies in Verbindung mit dem Tk-Interpreter wish. Auch dessen Binary wird oft mit einer Versionsnummer versehen, also etwa wish8.4.
Das Skripting funktioniert dabei recht einfach: Es wird ein Element des Fensters definiert, etwa ein Push-Button; dieser wird mit Eigenschaften versehen und dann in das Fenster »gepackt«. Die Syntax ist dabei in einer sehr einfach verständlichen Form gehalten:
Listing 30.14 Buttons mit wish
$ wish8.4
% button .b1 -text "Hallo, Leser" \
-command { put "Hallo, Leser!\n" }
.b1
% button .b2 -text "Beenden" -command { exit }
.b2
% pack .b1
% pack .b2
%
Dieses kleine Skript erzeugt zwei Buttons. Der erste erhält die Aufschrift Hallo, Leser und gibt den Text »Hallo, Leser!« auf der Konsole aus, wenn er gedrückt wird. Der zweite Button mit der Aufschrift Beenden beendet das Programm. Nachdem Sie diese Befehle in wish ausgeführt haben, erscheint unter X11 auf dem Bildschirm ein Fenster wie dieses:
Abbildung 30.1 Das obige Skript (ausgeführt)
30.1.5 Was es sonst noch gibt
Neben C(++), Java, Perl, Tcl und diversen Shellskriptsprachen stehen Ihnen unter Linux und BSD noch diverse weitere Sprachen und Interpreter zur Verfügung, die in aller Regel ebenfalls frei und offen verfügbar sind. Im Folgenden seien nur die wichtigsten genannt:
- verschiedene Assembler (speziell GNU-Assembler und NASM)
- Common Lisp (clisp), ein portabler, performanter Lisp-Dialekt sowie weitere Lisp-Dialekte wie Emacs Lisp oder Scheme
- ANSI FORTRAN 77 (g77)
- Smalltalk (zum Beispiel GNU Smalltalk)
- Ruby (ähnlich wie Perl)
- Erlang (eine funktionale Sprache von Ericsson – leider schlecht dokumentiert)
- Python
- Lua
- Yorick (eine Sprache aus der Physik mit sehr einfacher Syntax)
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