1.2 Grundbegriffe: Kernel, Distributionen, Derivate
Der Kernel
Der Begriff Linux bezeichnet dabei eigentlich kein ganzes Betriebssystem, sondern nur die Kernkomponente, den sogenannten Kernel. Damit man mit Linux etwas anfangen kann, benötigt man zusätzlich zum Kernel noch System- und Anwendersoftware.
Distribution/ Derivat
Diese zusätzliche Software wird zusammen mit dem Kernel und einer mehr oder weniger ansprechenden Installationsroutine von sogenannten Distributoren zu Distributionen zusammengepackt. In der Regel legt man diesen Distributionen zumindest bei kommerziellem Vertrieb noch Handbücher oder andere Dokumentation bei. Zu den bekanntesten Distributionen zählen Fedora, (open)SUSE, Mandriva, Slackware, Gentoo und Debian mit seinen Derivaten [Fn. Lateinisch von derivare, »ableiten«, deutsch: Abkömmling] Knoppix, Ubuntu und Kubuntu.
Linux ist ein Unix-artiges Betriebssystem. Was Unix ist und wo es herkommt, werden Sie gleich im Abschnitt über die Geschichte erfahren. Wichtig für Sie ist höchstens, dass wir in diesem Buch nicht nur Linux betrachten, sondern explizit auch auf Zusammenhänge außerhalb des Tellerrandes eingehen wollen. Daher betrachten wir teilweise auch Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu BSD-Systemen, bei denen es sich ebenfalls um Unix-artige Betriebssysteme handelt.
BSD (Berkeley Software Distribution) bezeichnet dabei ein gesamtes Betriebssystem, also Kernel und Software. Unter BSD gibt es daher keine Distributionen, sondern nur Derivate. Diese Derivate haben unterschiedliche Kernel und teilweise auch verschiedene Softwarekomponenten. Die bekanntesten BSD-Derivate sind OpenBSD, NetBSD, FreeBSD und DragonflyBSD.
1.2.1 Bekannte Distributionen und Derivate
Eben haben wir geklärt, was Linux-Distributionen, Derivate von Linux-Distributionen und BSD-Derivate sind. Im Folgenden werden wir einen kleinen Einblick in die aktuelle Welt der Distributionen und Derivate geben. Der Rest des Buches geht dann nur noch in wichtigen Fällen auf Besonderheiten einzelner Distributionen und Derivate ein, da wir Ihnen Wissen vermitteln möchten, mit dem Sie unter jedem System zum Ziel kommen.
Im nächsten Abschnitt, »Die Entstehungsgeschichte von Linux«, erfahren Sie mehr über die ersten Derivate und Distributionen.
1.2.2 Arten von Distributionen
Live-CD/DVD
Es gibt Distributionen, die direkt von einer CD oder DVD gebootet werden können und mit denen Sie ohne vorhergehende Installation auf einer Festplatte arbeiten können. [Fn. Es gibt auch Distributionen, die von ganz anderen Medien, etwa einem USB-Stick, Flash oder Diskette, booten können.] Man nennt diese Distributionen Live-Distributionen. Hierzu zählt beispielsweise Knoppix, das die grafische Oberfläche LXDE sowie viele Zusatzprogramme enthält.
Embedded
Dann wiederum gibt es Embedded-Distributionen. Dabei handelt es sich um stark minimierte Systeme, bei denen alle unnötigen Programme und Kernel-Features deaktiviert wurden, um Speicherplatz und Rechenbedarf einzusparen. Sinn und Zweck solcher Systeme ist es, eine Distribution auf so genannten eingebetteten Systemen lauffähig zu machen, die teilweise nur über sehr wenig Hauptspeicher und Rechenleistung verfügen. [Fn. Es gibt hierfür übrigens auch speziell minimierte C-Bibliotheken, die Sie beispielsweise auf ftp.kernel.org finden.]
Verwendung finden Embedded-Distributionen unter anderem im Router-Bereich. Man kann mit Distributionen wie OpenWRT oder FreeWRT auf diese Weise z. B. Linux-Firewalls auf handelsüblichen Routern installieren.
Desktop, Server
Die wichtigsten Distributionen sind für den Allzweck-Einsatz auf Heimanwender-Desktops, professionellen Workstations und sogar Servern ausgelegt (und dementsprechend in verschiedenen Ausführungen zu haben). Distributionen wie openSUSE, Fedora, Ubuntu, Gentoo und Slackware zählen zu diesem Bereich. Sie umfassen sowohl eine Vielzahl von Paketen für das Arbeiten mit verschiedensten Oberflächen-Systemen als auch Serversoftware, Entwicklerprogramme, Spiele und was man sonst noch alles gebrauchen kann. Die meisten BSD-Derivate sind für diese Einsatzszenarien ebenfalls geeignet, wobei diese teilweise auch im Embedded- oder Hochsicherheitsbereich Verwendung finden.
Hochsicherheit
Darüber hinaus gibt es noch Security-Distributionen/Derivate, die speziell darauf ausgelegt sind, eine besonders sichere Umgebung für sensible Daten oder den Schutz von Netzwerken zu bieten. Hierzu zählen Distributionen wie Hardened Gentoo oder auch das BSD-Derivat OpenBSD. Diese Distributionen bieten im Unterschied zu anderen oft modifizierte Kernel.
Firewall/VPN
Hochsicherheitsdistributionen sind auch für den Einsatz als Firewall/VPN-System geeignet, doch es gibt auch spezielle Distributionen, die hierfür optimiert sind und beispielsweise keine gehärteten Kernel benutzen. Hierzu zählen das bereits erwähnte OpenWRT/FreeWRT sowie die Distributionen devil-linux, m0n0wall und pfSense.
Was es sonst noch gibt
Es gibt noch viele weitere spezialisierte Linux-Distributionen und BSD-Derivate. Beispielsweise werden spezielle Distributionen mit wissenschaftlichen Programmen für den Forschungsbereich erstellt. [Fn. Schauen Sie sich bei Interesse doch einmal die Distribution Scientific Linux unter www.scientificlinux.org an.] Des Weiteren gibt es speziell für den Einsatz in Schulen erstellte Derivate (etwa Edubuntu) sowie Distributionen mit religiösen Zusatzprogrammen wie UbuntuCE (Christian Edition) oder UbuntuME (Muslim Edition). [Fn. Sowohl Edubuntu als auch UbuntuCE/ME basieren – wie auch Xubuntu und Kubuntu – einfach nur auf der Ubuntu-Distribution, die sie bei der Installation um zusätzliche Pakete erweitern.]
Unter distrowatch.com und www.distrorankings.com finden Sie Übersichten zu einer Vielzahl bekannter Distributionen und Derivaten.
Es gibt also offensichtlich viel Auswahl. Aber was ist die richtige Distribution für Sie? Wir empfehlen eine der auf der Buch-DVD mitgelieferten Varianten – Sie sind herzlich zum Ausprobieren eingeladen. Linux engt Sie nicht ein, Sie haben die Wahl – nutzen Sie sie.
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