3.2 Zweite Generation
Die zweite Generation startet 2006. Inzwischen hat sich die Veröffentlichungsstruktur von Ubuntu ausgebildet, und wir wissen, dass auch die neue Generation in eine LTS-Version 2008 münden wird.
3.2.1 6.10 – »Edgy Eft«
Am 26. Oktober 2006 erschien die fünfte Version von Ubuntu mit dem Namen »Edgy Eft«. Nach dem vorherigen Release, bei dem die Stabilität oberste Priorität hatte und auf neue technische Spielereien verzichtet wurde, rief Mark Shuttleworth für Ubuntu 6.10 die Entwickler auf, sich dort auszutoben. So klangen die Ankündigungen für diese Version sehr vielversprechend. Die Version mit dem Namen »Edgy Eft« (zu Deutsch: »Nervöser Molch«) sollte bleeding edge sein, also das Neueste vom Neuesten enthalten.
Technische Änderungen
Es wurden dreidimensionale Desktops sowie eine vollständige Integration von Xen und SELinux angekündigt und noch vieles mehr. Mögliche Instabilitäten sollten dabei in Kauf genommen werden. Produktivanwender sollten ja nach wie vor Ubuntu 6.06 LTS verwenden. Nach einigen Diskussionen wurden die meisten dieser Pläne wieder aufgegeben und auf die nächste Version verschoben, die im April 2007 erschienen war. Dies hatte folgende Gründe:
- Da der Vorgänger »Dapper Drake« mit sechs Wochen Verspätung erschien, wollte man die Veröffentlichung von »Edgy Eft« wieder an den Release-Zyklus von GNOME annähern und zur ursprünglichen Politik der halbjährlichen Veröffentlichungen zurückkehren. Somit blieben für »Edgy Eft« effektiv nur vier Monate Zeit zum Entwickeln und Testen. Für den Test der meisten Neuerungen blieb schlichtweg zu wenig Zeit.
- Das Risiko, ein instabiles System zu veröffentlichen, wollte niemand eingehen, da man sich des möglichen Image-Verlustes für Ubuntu bewusst war. Viele Anwender benutzen aus Prinzip immer die neueste verfügbare Version, und somit war die Empfehlung für den Einsatz von »Dapper Drake« hinfällig. Unternehmen, die Ubuntu einsetzen, werden schon allein wegen des verlängerten Support-Zeitraums bei den älteren LTS-Versionen bleiben. Aber auch produktiv arbeitenden Anwendern wurde empfohlen, die alte Ubuntu-Version beizubehalten.
Beginn des zweiten Zyklus
»Edgy Eft« markierte den Beginn des zweiten Release-Zyklus, der in die zweite LTS-Version Ubuntu 8.04 LTS mit dem Namen »Hardy Heron« mündete (siehe Abschnitt 3.2.4, »Hardy Heron«). Gleich zu Beginn bleibt festzuhalten, dass Ubuntu 6.10 auf dem Weg dorthin einige Neuerungen an Bord nahm, die natürlich nicht so ausgereift sein konnten, wie es noch bei »Dapper Drake« der Fall gewesen war. Als Beispiel sei hier der Firefox 2 erwähnt, der erst kurz vor der Veröffentlichung von Edgy als stabile Version erschien. Dieser hatte teilweise neue Techniken und konnte nicht so ausgereift sein wie die x-te Verbesserung der Firefox-1er-Serie.
Installation
Auch von Ubuntu 6.10 gibt es wieder die übliche Vielfalt an Installationsmöglichkeiten. So sind auf den Downloadseiten von Ubuntu nicht nur die Server-Images für verschiedene Architekturen zu finden, sondern auch die PPC-, AMD64- und 386er-Versionen jeweils in den zwei Varianten Desktop und Alternate.
Bei beiden Varianten haben sich einige Kleinigkeiten geändert. Während die textbasierte Installation (Alternate) nun eine detaillierte Abfrage nach dem zu verwendenden Tastaturlayout startet, haben sich deutliche Veränderungen bei der grafischen Installation (Desktop) ergeben. Hier wurde stark nachgebessert, nachdem bei Ubuntu 6.06 LTS viel Kritik an dem zuständigen Paket ubiquity geübt worden war.
In seiner aktuellen Version überschrieb der grafische Installer nicht mehr ungefragt den MBR (Master Boot Record) der ersten Festplatte, sondern gab dem Anwender die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, wo er GRUB installieren möchte. Insgesamt scheint sich die Zeit, die Ubuntu für den Installationsvorgang benötigt, noch einmal verkürzt zu haben.
Das Artwork
Als Erstes fiel das veränderte Äußere von Edgy auf. An dem Paket usplash wurde eine Reihe von Verbesserungen vorgenommen. Unter anderem konnte sich der Bootsplash (siehe Abbildung 3.12) jetzt an größere Monitore und unterschiedliche Auflösungen anpassen.
Abbildung 3.12 »Edgy Eft« ist beim Booten und Herunterfahren still geworden.
Auch Kubuntu hatte einen eigenen Bootsplash. Bei beiden Varianten war neu, dass die Systemmeldungen nicht mehr angezeigt werden, sondern »still« gebootet wird. Meines Erachtens ist das ein Nachteil, da man nur mit großer Verzögerung sehen kann, an welcher Stelle ein Startvorgang eventuell Schwierigkeiten bereitet. Falls der Boot-Vorgang einmal abbrechen sollte, erscheinen nach kurzem Leerlauf die klassischen Textmeldungen, damit man den aktuellen Stand des Boot-Vorgangs überprüfen kann.
Abbildung 3.13 Der GDM von »Edgy Eft«
Der GDM-Anmeldebildschirm (siehe Abbildung 3.13) wurde gegenüber Dapper leicht verändert, und auch der KDM-Anmeldebildschirm hat eine Überarbeitung des Designs erfahren. Der Desktop von Ubuntu 6.10 ist heller als bei allen vorherigen Versionen. Der inzwischen für Ubuntu typische Stil wurde beibehalten.
Neuerungen
Eigenschaft | Version |
Entwicklungsname | Edgy Eft |
Übersetzung | Nervöser Molch |
Kernel | 2.6.17 |
GNOME | 2.16 |
Erscheinungsdatum | 26.10.2006 |
Unterstützung bis | April 2008 |
Abbildung 3.14 Der Desktop von »Edgy Eft«
Edgy startet nochmals schneller als Dapper, und auch die zum Herunterfahren nötige Zeit wurde verkürzt – die genauen Zeitspannen hängen natürlich von der verwendeten Hardware ab. Upstart ist standardmäßig aktiviert, läuft aber nur im Kompatibilitätsmodus. Dies bedeutet, dass nach wie vor die alten Init-Skripte geladen werden. Upstart soll ein vollständiger Ersatz für das in die Jahre gekommene init werden. Sie erfahren mehr über Upstart in Abschnitt 14.6.3, »Upstart«.
Geschwindigkeit
In »Edgy Eft« ist GNOME 2.16 integriert. Mittlerweile ist es Tradition geworden, dass die Entwickler von GNOME mit jeder neuen Ausgabe ihrer Arbeitsumgebung ein wenig an der Performanceschraube drehen. So ist GNOME auch dieses Mal ein Stückchen schneller geworden. Hier hatte sich in den letzten Versionen am meisten getan. Version 2.14 war in diesem Punkt ein Meilenstein und hat mit dem Vorurteil gebrochen, dass GNOME in puncto Geschwindigkeit hinter KDE herhinkt.
Auch wenn für jede Distribution behauptet wird, dass die jeweils neue Version schneller ist als die alte und somit eigentlich inzwischen alle Linux-Distributionen geradezu fliegen müssten, ist dieser Geschwindigkeitsfortschritt bei Ubuntu doch deutlich spürbar.
Mit dem neuen GNOME 2.16 hielten einige neue Anwendungen Einzug in Ubuntu, unter anderem Tomboy, eine mächtige, aber übersichtliche Notizverwaltung, und F-Spot, ein neues Fotoverwaltungsprogramm. Das neue Evolution 2.8.x, das zu GNOME 2.16 gehört, beherrschte jetzt auch die von Outlook gewohnte und daher vielfach gewünschte dreispaltige Ansicht. Ferner wurde bereits der Kalender mit der Grafikbibliothek Cairo erstellt, und viele Fehler der Vorgängerversion wurden behoben.
Spielzeug für die Entwickler
Edgy galt als Ubuntu-Version »für die Entwickler«, eine besondere Stabilität ist ausdrücklich nicht das Entwicklungsziel gewesen. Dies zeigt sich auch darin, dass vermehrt Betaversionen verschiedener Anwendungen aufgenommen wurden. Der Firefox hat viele Verbesserungen erfahren. Abgestürzte Sitzungen beispielsweise können wiederhergestellt werden, eine verbesserte Such-Engine und ein Phishing-Schutz wurden integriert, und der Tab-Support wurde um Funktionen wie das Wiederherstellen geschlossener Tabs erweitert. Zudem ließen sich sogenannte Feeds nun besser einbinden.
Firefox oder Iceweasel?
Nachdem es wegen der abgeänderten Verwendung des offiziellenFirefox-Logos aus dem Mozilla-Projekt und der nicht vorhandenen Bereitstellung von Patches zu Unstimmigkeiten zwischen dem Debian- und dem Mozilla-Projekt gekommen war, änderte Debian Ende 2006 die Namen aller Mozilla-Applikationen.
Der Browser Firefox heißt unter Debian Iceweasel, und der Mailclient Thunderbird heißt seitdem Icedove. An der Bedienung der Programme wurde nichts geändert, so dass Umsteiger vom Firefox oder Thunderbird sich auf Anhieb zurechtfinden.
Die Ubuntu-Distribution wird aber bis auf Weiteres eine offizielle Version von Firefox einsetzen, denn: »Am Ende hat [...] die Kommunikation gesiegt und den Partnern war es möglich, einen Mittelweg zu finden.« (Mark Shuttleworth Ende Oktober 2006 auf seiner Website)
Neue Programme
Orca, ein Werkzeug, um Bildschirminhalte als Sprache oder in Blindenschrift wiederzugeben, ersetzt das bisherige Gnopernicus und ist standardmäßig installiert. Neu ist auch das Werkzeug zur Analyse der Festplattenbelegung, Boabab. Es beherrscht eine Reihe unterschiedlicher Darstellungsarten der Ordnerstruktur und Festplattenbelegung. In den GNOME-Audioeinstellungen (Sie finden sie unter System • Einstellungen • Audio) können Sie seit der Version »Edgy Eft« unterschiedliche Audiogeräte für verschiedene Audioereignisse definieren.
Apropos Audio und Multimedia: Der Multimediaplayer Totem ist vielseitiger geworden und kommt nun mit wesentlich mehr Formaten zurecht als früher. Das Plug-in totem-mozilla ist jetzt standardmäßig installiert und erlaubt das Streamen von Multimediainhalten im Browser. Ebenfalls deutlich überarbeitet wurde Rhythmbox, der Audio-Player. Er kann auf Wunsch die Songtexte und Cover der gespielten Titel anzeigen.
Kubuntu und Xubuntu
Kubuntu 6.10 baut auf den gleichen technischen Neuerungen wie Ubuntu auf; KDE ist in der Version 3.5.5 integriert (siehe Abbildung 3.15). In Xubuntu ist die Beta 2 von Xfce 4.4 integriert (siehe Abbildung 3.16). Ein zentrales Anliegen von Ubuntu ist es, das gesamte System für möglichst viele Menschen in ihrer Muttersprache verfügbar zu machen, daher wurden erneut Übersetzungen integriert.
Abbildung 3.15 Kubuntu 6.10 hat KDE 3.5.5 mit an Bord.
Inzwischen gibt es Ubuntu in mehr als 80 Übersetzungen, und bei jeder Veröffentlichung kommen neue hinzu. Sie können sich auf www.launchpad.net an diversen Übersetzungen beteiligen oder den Lokalisierungsteams beitreten.
Abbildung 3.16 Der XDM von Xubuntu 6.10
GNOME 2.16 hat mit dem BugBuddy ein Programm bekommen, das Informationen über abgestürzte Anwendungen an die Entwickler schicken kann. Der User kann selbst entscheiden, ob Informationen nach einem Absturz verschickt oder verworfen werden sollen.
Der Druckdialog wurde komplett überarbeitet. Viele GNOME-Benutzer (darunter auch Linus Torvalds) hatten über das Fehlen erweiterter Funktionen geklagt. Nun sind diese Funktionen da: Mit dem Duplex-Druck beispielsweise kann beidseitig gedruckt werden, bei Bedarf können aber auch mehrere Seiten pro Blatt ausgedruckt werden. Ebenfalls überarbeitet wurde Synaptic, das Programm zur bequemen Verwaltung und Installation von Paketen. Die Verwaltung der Repositorys wurde erheblich vereinfacht.
Upstart
Upstart soll ein vollständiger Ersatz für das in Unix-Systemen zum Starten von Prozessen verwendete init werden. Das Programm wurde von den Ubuntu-Entwicklern eingeführt, hauptsächlich von John Scott Remnant. Die ersten Ansätze von Upstart wurden in »Edgy Eft« integriert. Allerdings läuft es noch im Kompatibilitätsmodus, d. h., tatsächlich werden noch die herkömmlichen init-Skripte verwendet. Upstart ist ereignisorientiert und soll die Probleme von init bezüglich Geschwindigkeit, wechselnder Hardware und des Neustartens von Prozessen beheben.
In Abschnitt 14.6.3, »Upstart«, werde ich mich genauer mit Upstart auseinandersetzen und die Details dieses interessanten Konzepts erläutern. In diesem Zusammenhang werden die Unterschiede zu Sys-V-init dargestellt und der Boot-Prozess von Ubuntu näher betrachtet.
3.2.2 7.04 – »Feisty Fawn«
Nachdem mit »Edgy Eft« die erste Version des zweiten Versionszyklus erschienen war, folgte ein halbes Jahr später am 19. April 2007 die Ubuntu-Version 7.04 mit dem Namen »Feisty Fawn« (»Lebhaftes Reh«). Der Vorgänger Edgy hatte resolut mit den stabilen Techniken von »Dapper Drake« gebrochen und teilweise (wenn auch nur im Kompatibilitätsmodus) neue Techniken wie zum Beispiel upstart eingeführt. Dass diese Version mit dem Attribut »nervös« bezeichnet worden war (edgy, englisch für »nervös«), lässt sich daher leicht nachvollziehen. Zu umfangreich waren die Neuerungen, und zu radikal war der Wechsel von einer außerordentlich stabilen Version wie »Dapper Drake« auf den neuen Entwicklungszyklus. Tatsächlich erreichte »Edgy Eft« bei Weitem nicht die gewohnte Stabilität.
Eigenschaft | Version |
Entwicklungsname | Feisty Fawn |
Übersetzung | Lebhaftes Reh |
Kernel | 2.6.19 |
GNOME | 2.18 |
Erscheinungsdatum | 19.04.2007 |
Unterstützung bis | Oktober 2008 |
Neue Techniken am Horizont
Der Nachfolger »Feisty Fawn« erhielt den Namen »Lebhaftes Reh«, und die Erwartungen an diese Version wurden damit trefflich beschrieben. So wurden die neuen Techniken weiter ausgebaut und stabilisiert, die Version wurde insgesamt lebhafter, ohne jedoch nervös zu wirken oder den Anwender zu verunsichern.
Gleichzeitig ist die Analogie zu einem scheuen Reh sehr gut nachzuvollziehen, wenn man sich die Ansprüche ansieht, die im Lastenheft dieser Version standen. So sollten die Desktop-Effekte standardmäßig (der sogenannte 3D-Desktop) aktiviert und ein ausfallsicherer X-Server integriert werden. Da die Entwickler aber wussten, dass diese Ansprüche zeitlich und aus Stabilitätsgründen nur sehr knapp realisiert werden konnten, war das hübsche Reh ein wenig schüchtern geraten. Tatsächlich wurde die Integration des ausfallsicheren X-Servers auf die nächste Version 7.10 verschoben, und die Desktop-Effekte wurden nur als Option installiert. Erst im Nachfolger »Gutsy Gibbon« sind die Desktop-Effekte standardmäßig aktiviert.
PPC muss weichen
Mit Einführung von Ubuntu 7.04 gab es einige Änderungen in der Projektstruktur. Dies betraf zunächst die PowerPC-Versionen von Ubuntu. Da Apple im Jahr 2006 den Umstieg von den klassischen PowerPC-Prozessoren hin zu Intel (i386) vollzog, sah man bei Ubuntu nur noch eine geringe Notwendigkeit, eine PowerPC-Variante bereitzustellen. Daher wurde diese Version gestrichen.
Auch von Ubuntu 7.04 gab es wieder die übliche Aufteilung in die zwei Varianten Desktop und Alternate. Laut Canonical sollte Feisty das bisher benutzerfreundlichste Ubuntu werden, unter anderem aufgrund des neuen Windows-Migrationsassistenten, exzellenten WLAN-Supports und verbesserter Multimediaunterstützung.
Abbildung 3.17 Der Desktop von »Feisty Fawn«
Überlastete Server
Ubuntu 7.04 erschien, um der Welt zu beweisen, dass man nicht nur bei Disney mit Rehen Sympathien erwerben kann. Auch bei Canonical garantiert ein Bambi den großen Erfolg. Zumindest war dies am Erscheinungstag dieser neuen Ubuntu-Version so, da die hauseigenen Server dem Ansturm und den Downloadzahlen nicht gewachsen waren und für nahezu 14 Stunden lahmgelegt wurden.
Trotz regulär circa 160 Mirror-Servern war der Ansturm kaum zu bewältigen. Canonical selbst ging zu dem Zeitpunkt davon aus, dass auf etwa 10 Millionen PCs weltweit Ubuntu installiert ist.
Der Ansturm auf diese Version ist nicht allein auf den zugegebenermaßen niedlichen Entwicklungsnamen zurückzuführen – er ist auch das Ergebnis eines geschickten Marketings, denn die Änderungen gegenüber dem Vorgänger (»Edgy Eft«) halten sich in Grenzen. Ubuntu 7.04 war der zweite Entwicklungsschritt auf dem Weg zur nächsten LTS-Version. Mit dem Vorgänger war die neue Marschrichtung vorgegeben worden. Mit Feisty wurden nun grobe Fehler des Vorgängers behoben, aber auch technologische Neuerungen wie Upstart (als Ersatz für init) konsequent weiterentwickelt und implementiert.
Neuerungen
Nach dem Booten erschien Ubuntu in einem modifizierten Gewand. Die Entwickler haben es geschickt verstanden, das traditionelle Ubuntu-Aussehen behutsam zu erneuern (siehe Abbildung 3.17). Im Zuge dessen sind natürlich die neuesten Versionen der Desktop-Umgebungen von GNOME (2.18) und KDE (3.5.6) integriert. Die Server-Edition von Ubuntu 7.04 bot verbesserte Unterstützung für jene Hardwarekomponenten, die die Nutzung virtueller Maschinen beschleunigen, sowie für weitere Hardware.
Proprietäre Treiber
Für viel Aufsehen hatte im Vorfeld die Überlegung der Ubuntu-Entwickler gesorgt, proprietäre Treiber per Default zu integrieren. Viele Kritiker sahen hierin die Freiheit von Linux beeinträchtigt. In der endgültigen Umsetzung dieser Idee erkennt nun ein Assistent, welche Hardware in Ihrem PC verbaut ist und ob der Einsatz von proprietären Treibern (zum Beispiel für NVIDIA- oder ATI-Grafikkarten) Ihnen einen deutlichen Vorteil bringt. Entscheiden Sie sich für den Einsatz dieser Treiber, so genügt ein simples Häkchen, um die Installation dieser Treiber vollautomatisch ablaufen zu lassen – nach dem Motto: so frei wie nötig, so einfach wie möglich.
- Windows-Migrationsassistent
Schon bei der Installation von Ubuntu versuchte der Migrationsassistent jetzt, die persönlichen Dateien aus einer vorherigen Installation auf Ubuntu zu migrieren. So sollten die schon vorhandenen Favoriten des Internet Explorers, Bookmarks des Firefox, Kontakte aus Instant-Messaging-Programmen gleich nach der Installation in Ubuntu zur Verfügung stehen. Allerdings war dieser Migrationsassistent noch recht jung und verweigerte bei einer vorhandenen Microsoft-Vista- und -XP-Installation seinen Dienst. Nur das Migrieren der Daten aus einer vorherigen Ubuntu-Installation gelang problemlos. - Plug-and-Play-Sharing-Werkzeug für das Netzwerk
Avahi erlaubte das automatische Finden und Einloggen in ein drahtloses Netzwerk, um Musik zu teilen, Drucker zu finden usw. - network-manager
Der network-manager hat seit der Vorgängerversion große Fortschritte gemacht und erlaubt nun endlich das problemlose Verbinden in jegliche Funknetzwerke und das einfache Wechseln dieser Verbindungen. - Änderungen in der Servervariante
Die kernelbasierte Unterstützung für virtuelle Maschinen (KVM) ermöglicht seither die gleichzeitige Verwendung mehrerer virtueller Maschinen auf x86-Systemen mit Intel-VT- oder AMDV-Erweiterungen. Es wurde außerdem VMI-Unterstützung für eine optimierte Leistung unter VMWare integriert. - Assistenten zur Treiber- und Codec-Installation
Erstmals wurde ein Assistent eingebaut, der beim Benutzen von Multimediadateien die fehlenden Codecs automatisch aus dem Internet herunterlädt und nachinstalliert, natürlich nicht ohne den Anwender auf den lizenzrechtlichen Charakter dieser Codecs hinzuweisen. Nötig wurde dies, weil bei vielen Distributionen die Integration von lizenzgeschützten und unfreien Multimediacodecs fehlte, um zum Beispiel Musik im MP3-Format anzuhören. Eine Integration dieser Codecs hätte von den Distributionen das Abführen von Lizenzgebühren verlangt. Aus diesem Grund hatten sich die meisten Distributionen entschieden, diese Codecs nicht standardmäßig mitzuliefern. Das Resultat war, dass der Benutzer sich selbst um die Integration dieser Codecs kümmern musste. Dies schreckte viele User ab, da bei Konkurrenzprodukten wie zum Beispiel Windows alles von Haus aus mitgeliefert wird.Damit diese vereinfachte Installation gelingen kann, sind jetzt alle vier Sektionen der Ubuntu-Paketquellen (die sogenannten Repositorys) freigeschaltet, also auch die unfreien und die, die nicht offiziell unterstützt sind. Wer aus Überzeugung keine unfreie Software auf seinem Rechner haben möchte, muss also nach erfolgter Installation als Erstes seine Paketquellen ändern.
- Desktop-Effekte
Als Letzter im Bunde der großen freien Distributionen versucht sich nun auch Ubuntu an der integrierten Umsetzung der dreidimensionalen Desktops mit Transparenz, Schatten und sinnfreien, wackelnden Fenstern. Fedora- und SUSE-Anwendern wird die erleichterte Aktivierung dieser Desktop-Effekte nichts Neues sein: Aus dem Menü System • Einstellungen • Desktop-Effekte erreichen Sie den Dialog, der Ihnen die wackelnden Fenster und den Desktop-Würfel auf den Rechner bringt.Bei Ubuntu wurde diese Technologie allerdings noch als »Vorschau« bezeichnet, und der Benutzer wurde dementsprechend vor Fehlern gewarnt. Tatsächlich bereitete der Einsatz dieser Effekte den Inhabern so mancher Rechner Kopfzerbrechen. So funktionierte zum Beispiel der Benutzerwechsel im laufenden Betrieb nicht mehr, maximierte Fenster ließen sich nicht mehr minimieren usw. Hier war noch weitere Entwicklungsarbeit nötig.
Neues in Kubuntu
Wenn Sie Kubuntu Edgy verwendeten und auf Feisty aktualisieren wollten, dann konnten Sie jetzt einfach das neue Aktualisierungswerkzeug benutzen. Bisher konnte nur durch manuelles Anpassen der Paketquellen auf eine neue Kubuntu-Version aktualisiert werden.
Die neueste KDE-Version 3.5.6 wurde integriert. Außerdem wurde das Partitionierungswerkzeug des Desktop-CD-Installers neu geschrieben. Der Netzwerkmanager ist standardmäßig installiert. Der Paketmanager Adept wurde an mehreren Stellen verbessert. Kexi, ein weit entwickelter, aber dennoch einfach zu benutzender Datenbankmanager, wurde ebenfalls standardmäßig integriert.
3.2.3 7.10 – »Gutsy Gibbon«
Ubuntu 7.10 »Gutsy Gibbon« ist die auf Ubuntu 7.04 »Feisty Fawn« folgende Ubuntu-Version (siehe Abbildung 3.18). Sie wurde am 12. April 2007 in der Mailingliste von Mark Shuttleworth angekündigt und erschien am 18. Oktober 2007.
Eigenschaft | Version |
Entwicklungsname | Gutsy Gibbon |
Übersetzung | Mutiger Gibbon |
Kernel | 2.6.22 |
GNOME | 2.20 |
Erscheinungsdatum | 18.10.2007 |
Unterstützung bis | April 2009 |
X.org 7.3
Mit dem neuen X-Server in der Version 7.3 sollten Ubuntu-Benutzer endlich in den Genuss von Bildschirm-Hotplugging kommen. Bei dieser Technik können externe Bildschirme und Projektoren einfach angeschlossen und dank RandR 1.2 automatisch konfiguriert werden. Peinliche Momente bei einem Vortrag, wo der Projektor einfach nicht das gewünschte Bild anzeigen will, sollten damit der Vergangenheit angehören. Auch Eingabegeräte sollten problemlos ein- und ausgesteckt werden können. Zu dieser Zeit bot allerdings nur der freie Intel-Treiber die benötigte Unterstützung.
Auf NTFS-Partitionen schreiben
Bislang konnte Ubuntu nicht auf NTFS-Partitionen schreiben. Seit Ubuntu »Feisty Fawn« 7.04 gibt es jedoch mit ntfs-3g einen Treiber, der zuverlässig auf NTFS-Partitionen schreiben kann.
Dieser wird nun bei Gutsy automatisch mitinstalliert und ermöglicht es dem Anwender, ohne weitere Installation von Software auf NTFS-formatierte Wechseldatenträger zu schreiben.
Abbildung 3.18 Der Desktop von »Gutsy Gibbon«
Gobuntu
Mit Ubuntu 7.10 wurde erstmals ein komplett freier Ubuntu-Ableger mit dem Namen »Gobuntu« veröffentlicht. Hierbei handelt es sich um ein offizielles Derivat von Ubuntu,d. h., es wird von Canonical direkt unterstützt. Um bessere Hardwarekompatibilität zu erreichen, liefert Ubuntu normalerweise proprietäre Kernel-Module mit. Da diese Module aber die Freiheit des Benutzers einschränken, wurde dies immer wieder kritisiert. Mit Gobuntu steht nun eine Ubuntu-Version zur Verfügung, die auf diese Bestandteile verzichtet. In Zukunft soll die Freiheit weiter ausgebaut werden, so dass beispielsweise auch Quellen von PDF-Dateien mitgeliefert werden.
Ubuntu Mobile and Embedded
Mit Gutsy begann die Entwicklungsarbeit an einem neuen Ubuntu-Ableger für mobile Geräte, wobei erst mit der nächsten Ubuntu-Version ein erstes Release stattfinden sollte. »Ubuntu Mobile and Embedded« nennt sich die Entwicklung, mit der Ubuntu seinen Weg in mobile Internetgeräte (MID) finden soll. Diese Version wird von Canonical und Intel unterstützt, und die Entwicklung geschieht in Zusammenarbeit mit der GNOME Mobile & Embedded Initiative.
3.2.4 8.04 LTS – »Hardy Heron«
Ubuntu 8.04 trägt den Namen »Hardy Heron« (zu Deutsch: »Kühner Reiher«) und war zwei Jahre nach Ubuntu 6.06 »Dapper Drake« die nächste LTS-Version. Ubuntu »Hardy Heron« 8.04 enthält den verbesserten Linux-Kernel 2.6.24. Er unterstützt die AMD64-Architektur Dynticks, so dass Stromsparmechanismen wirkungsvoll arbeiten können. Des Weiteren wurde mit dem Completely Fair Scheduler ein neuer Prozess-Scheduler integriert, der speziell auf Desktop-Systemen eine Verbesserung der Interaktivität von Prozessen erzielen soll.
Eigenschaft | Version |
Entwicklungsname | Hardy Heron |
Übersetzung | Kühner Reiher |
Kernel | 2.6.24 |
GNOME | 2.22 |
Erscheinungsdatum | 24.04.2008 |
Unterstützung bis | April 2013 |
Erstmals wurde passend zum Entwicklernamen ein Standard-Hintergrundbild gewählt, das einen Reiher zeigt (siehe Abbildung 3.19). Das gleiche Prinzip wurde auch beim Nachfolger Ubuntu 8.10 angewandt.
PulseAudio
Mit PulseAudio hatte »Hardy Heron« einen erweiterten Sound-Server integriert, der dieStreams verschiedener Programme individuell über ein einfaches GUI steuert. Lautstärke, Balance und die Auswahl des Ausgabemoduls (Netzwerk, Soundkarte[n], USB-Kopfhörer) können seitdem nach eigenen Vorstellungen angepasst werden. So können Sie sich beispielsweise mit einem Kopfhörer den Ton eines Videos ansehen, während über den Lautsprecher eine andere Musik läuft. Die Sound-Kanäle behindern sich dabei nicht und können problemlos umgeschaltet werden.
GFVS
Das GFVS ersetzte das in die Jahre gekommene GnomeVFS (GNOME Virtual File System). Das GnomeVFS ist ein virtuelles Dateisystem. Über dieses konnten beispielsweise Netzwerkfreigaben geöffnet werden, ohne dass diese richtig gemountet werden mussten. Beides sind Konstrukte, die man als Anwender selten bemerkt. Kopiert man mehrere Dateien, so werden sämtliche Transfers zu einem Fenster zusammengefasst, wobei einzelne Kopiervorgänge abgebrochen werden können; dazu wird die Geschwindigkeit angezeigt, mit der Dateien kopiert werden.
Abbildung 3.19 Der Desktop von »Hardy Heron«
Metacity
Der Fenstermanager von GNOME (Metacity) besitzt jetzt ebenfalls einen Composite-Manager. Desktop-Effekte wie transparente Fenster und Panels stehen nun auch ohne Compiz zur Verfügung, wenn auch nicht so umfangreich.
PolicyKit
Über PolicyKit können Anwendungen mit Benutzerrechten gestartet und später mit RootRechten versehen werden. PolicyKit wurde bereits in die Werkzeuge zur Systemverwaltung von GNOME integriert. Mittels PolicyKit lassen sich des Weiteren Rechte fein verteilen. So ist es möglich, Benutzer zu bestimmen, denen bestimmte Aktionen erlaubt werden, für die normalerweise Root-Rechte benötigt werden, ohne sie selbst zu Administratoren zu machen.
Kubuntu
»Hardy Heron« ist das erste Kubuntu-Release mit KDE 4. KDE 4.0.3 wird zusätzlich zu KDE 3.5.9 von der Community angeboten. Es ist somit möglich, KDE 3.5 und KDE 4.0 parallel zu benutzen. Für beide Versionen der KDE-Versionen existieren Installations-CDs. Kubuntu integriert nun auch einen Konfigurationsdialog für Desktop-Effekte mit Compiz. Im Gegensatz zu Ubuntu werden die Effekte standardmäßig nicht aktiviert. Compiz benötigt nur, wer Effekte in KDE 3.5 benutzen will. In KDE 4 werden Desktop-Effekte nativ ohne den Einsatz von Compiz unterstützt. Jedoch können Sie auch in KDE 4 Compiz verwenden. Kaffeine beherrscht in Kubuntu »Hardy Heron« die automatische Codec-Installation. Wird ein Dateityp zum ersten Mal geöffnet, so wird automatisch der passende Codec installiert.
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