3.4 Vierte Generation
Die vierte Ubuntu-Generation startete im Spätsommer 2010 mit »Maverick Meerkat« (Ubuntu 10.10). Auch wenn der Start einer neuen Generation in den letzten Jahren immer mit einer umfassenden Änderung verbunden war, ist die offensichtlichste Veränderung bereits bei der letzten LTS-Version 10.04 vollzogen worden: Ubuntu hat ein grundlegendes neues Aussehen. Und nicht nur das: In der Version »Lucid Lynx« wurden viele Pakete erstmalig integriert, die jetzt in der vierten Generation weiter verfeinert werden.
3.4.1 10.10 – »Maverick Meerkat«
Im Oktober erschien die Version 10.10, das »Eigensinnige Erdmännchen«. Hierbei handelte es sich lediglich um eine Weiterentwicklung der Vorgängerversion und nicht um einen Generationswechsel, wie es bei den vorhergegangenen Produktzyklen Standard gewesen war. Die Neuerungen halten sich stark in Grenzen, so wurde auf Programmseite beispielsweise Shotwell als Nachfolger von F-Spot eingeführt.
Unity bei Netbooks
Eine kleine Änderung bei den Netbooks wirft einen Schatten voraus, der zu diesem Zeitpunkt niemandem außerhalb der Ubuntu-Entwickler bewusst war. So erscheint die Netbook-Variante von Ubuntu erstmals mit der neu entwickelten Oberfläche »Unity«.
Abbildung 3.25 Der Desktop von Ubuntu 10.10
Was niemand bei dem Erscheinen wusste: Ubuntu wollte ein einheitliches System etablieren, und somit sollte die Netbook-Oberfläche kurzfristig auch auf dem Desktop-Rechner Einzug halten: Im April 2011 war es schließlich so weit.
Eigenschaft | Version |
Entwicklungsname | Maverick Meerkat |
Übersetzung | Eigensinniges Erdmännchen |
Kernel | 2.6.35 |
GNOME | 2.32 |
Erscheinungsdatum | 10.10.2010 |
Unterstützung bis | April 2012 |
3.4.2 11.04 – »Natty Narwhal«
Eine bemerkenswerte Version erschien im April 2011: Ubuntu 11.04 – »Natty Narwhal«, der »schicke Narwal«. Der Name ist gut überlegt und soll den Stellenwert des neuen Designs bei dieser Version verdeutlichen. Ubuntu soll auch optisch überzeugen, und der Narwal – das Einhorn der Meere – steht für die Einzigartigkeit dieses Designs.
Abbildung 3.26 Ubuntu 11.04 und die neue Oberfläche »Unity«
Unity
Als augenfälliges Zeichen für diesen Design-Wechsel steht »Unity«, die neuartige Oberfläche von Ubuntu (siehe Abbildung 3.26). Diese Oberfläche soll Ubuntu ein Alleinstellungsmerkmal geben und ein unverwechselbares Äußeres. Sie finden weitere Informationen über Unity in Kapitel 6, »Erste Schritte«. Die Einführung von Unity geschah etwas überstürzt und stieß damit auf großen Widerstand. Dennoch entschied man sich zu diesem Schritt, um der Integration und Weiterentwicklung des neuen Desktops bis zum Erscheinen der nächsten LTS-Version 12.04 genug Zeit zu geben.
Des Weiteren sollte die Konzentration auf das gesamte Ausschöpfen moderner Hardware liegen. Daher wurde ein weiterer Schwerpunkt auf die ARM-Architektur gesetzt, die erstmals integriert wurde.
Eigenschaft | Version |
Entwicklungsname | Natty Narwhal |
Übersetzung | Schicker Narwal |
Kernel | 2.6.32 |
Erscheinungsdatum | 28.04.2011 |
Unterstützung bis | Oktober 2012 |
Banshee statt Rhythmbox
Softwaretechnisch wurde der Medienplayer Rhythmbox durch Banshee und die Fernwartungssoftware Vinagre durch Remmina abgelöst. Des Weiteren wurde OpenOffice.org durch die im September 2010 entstandene Abspaltung LibreOffice ersetzt.
3.4.3 11.10 – »Oneiric Ocelot«
Am 13. Oktober 2011 erschien »Oneiric Ocelot«, die letzte Version vor der nächsten LTS-Version. Aufgrund dieser zeitlichen Einordnung verschob sich der Fokus der Entwicklung langsam in Richtung Stabilität. Gleichzeitig wurde diese Version von einigen »Altlasten« befreit. So wurde beispielsweise das Software-Center zum legitimen Nachfolger von Synaptic erklärt und letzteres aus der Standardinstallation verbannt. Zudem deutet sich an, dass statt der 32-Bit-Version zukünftig als Standard 64-Bit verwendet werden soll. Durch den sogenannten Multiarch-Support sollen weiterhin auch ältere 32-Bit-Programme problemlos funktionieren.
Mark Shuttleworth begründet die Namensfindung folgendermaßen:
Oneiric heißt 'träumerisch' – und die Kombination mit Ozelot erinnert mich an die Art, wie Innovationen erscheinen: teils Tagträume, teils Disziplin.
Kein GNOME 2 mehr
Die neue Desktop-Oberfläche Unity bleibt nicht nur weiterhin der Standard, sondern ersetzt mit dieser Version nun auch endgültig GNOME. Die Möglichkeit, GNOME 2 als Alternative zu verwenden, entfällt. Stattdessen gibt es ein Unity 2D, welches bei Hardwareproblemen automatisch startet. Zum ersten Mal ist standardmäßig ein grafisches Backup-Programm integriert.
Abbildung 3.27 Der Desktop von Ubuntu 11.10 mit dem ausgeklappten Unity-Startmenü
Eigenschaft | Version |
Entwicklungsname | Oneiric Ocelot |
Übersetzung | Verträumter Ozelot |
Kernel | 3.0 |
Erscheinungsdatum | 13.10.2011 |
Unterstützung bis | April 2013 |
Thunderbird statt Evolution
Seit Beginn der Ubuntu-Entwicklung setzte das Canonical-Team auf Evolution als den Standard-E-Mail-Client. Im Zuge der Loslösung von GNOME scheint allerdings kein Programm mehr davor gefeit zu sein, beliebig ersetzt zu werden. Nach der Ablösung von Rhythmbox durch Banshee befindet sich nun bei Ubuntu 11.10 erstmals das Programm Thunderbird in der regulären Installation.
3.4.4 12.04 LTS – »Precise Pangolin«
Im April 2012 erschien der lang erwartete LTS-Nachfolger »Precise Pangolin«, das präzise Schuppentier. Der Name zielt auf den Umstand ab, dass diese Ubuntu-Version als LTS-Version sehr präzise und akkurat funktionieren soll. Um Server- und Desktop-Version zu vereinheitlichen, nutzen beide nicht nur den gleichen Kernel; sie werden auch beide erstmals fünf Jahre lang mit Updates versorgt. Bisher war für die Desktop-Version nach drei Jahren Schluss. Diese Verlängerung wurde gerade von Firmen verlangt, für die eine lange Unterstützung seitens des Herstellers eminent wichtig ist.
Abbildung 3.28 Der Desktop von Ubuntu 12.04 mit dem ausgeklappten Unity-Startmenü
Vorsicht bei dem neuen Kernel: Durch den Zusammenschluss des Server- mit dem Desktop-Kernel wird die Prozessor-Option PAE (Physical Adress Extension) standardmäßig genutzt. Dank PAE ist das Betriebssystem in der Lage, auch bei 32-Bit-Systemen mehr als 4 GB Arbeitsspeicher sinnvoll zu verwenden. Ob Ihr Prozessor dies auch versteht, erfahren Sie mit Hilfe der Eingabe
grep pae /proc/cpuinfo
in einem Terminal. Erfolgt eine Ausgabe, ist Ihr Computer zu 99 % fit für Ubuntu.
Rhythmbox wieder an Bord
Das beliebige Austauschen von Programmen nimmt merkwürdige Ausmaße an. Nachdem der Audioplayer Rhythmbox ein Jahr zuvor plötzlich aus Ubuntu entfernt und durch Banshee ersetzt wurde, überrascht in der aktuellen Version Rhythmbox wieder den Anwender. Auch wenn die Gründe nachvollziehbar sind (Banshee basiert auf der Programmiersprache Mono, und diese wurde von der CD entfernt), so ist dieses Hin und Her nicht gerade glücklich und verwirrt den unbedarften Anwender mehr, als es ihm nützt.
Unity und HUD
Die Desktop-Oberfläche Unity wurde behutsam weiterentwickelt, lässt sich nun besser an die eigenen Bedürfnisse anpassen und läuft deutlich performanter. Zugleich wurde eine neue Art der Menüführung integriert, die sich allerdings erst am Beginn ihrer Entwicklung befindet: das sogenannte Headup-Display (HUD). Sie erfahren mehr über HUD in Abschnitt 6.5, »Headup-Display«.
Eigenschaft | Version |
Entwicklungsname | Precise Pangolin |
Übersetzung | Präzises Schuppentier |
Kernel | 3.2 |
Erscheinungsdatum | 26.04.2012 |
Unterstützung bis | April 2017 |
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